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Ausbildung unter Lebensgefahr?

ÖBPV | Niederösterreich | 07.07.2015 um 15:08 Uhr

Der Unglückshang nahe der Oberwalderhütte

Vom 19. – 26. Juni 2015 fand in den Karnischen Alpen ein Ausbildungskurs der Alpinpolizei mit dem Schwerpunkt Felsklettern statt. 22 Teilnehmer stellten sich der Herausforderung, in den steilen Wänden rund um den Plöckenpass und am Wolayersee zu klettern und Selbst- sowie Kameradenrettung zu üben. Die Teilnehmer  werden in den Alpinen Einsatzgruppen benötigt, um alpine Unfälle bestmöglich erheben zu können und vermisste Personen im Hochgebirge zu suchen.

Am 21. Juni erreichte die Mannschaft eine Alarmierung, mit der zu dieser Zeit wohl niemand gerechnet hatte: ein Lawinenunfall im Bereich der Oberwalderhütte mit 4 vermissten Personen!

Sofort machte sich ein Bus mit 8 Beamten auf den Weg, von der Bergrettung Kötschach Mauthen leihweise mit Lawinenausrüstung versorgt, doch schon bei der Anfahrt über den Iselsberg Richtung Heiligenblut wurde bekannt, dass alle Personen geortet werden konnten, es gehe nur noch um den Abtransport ins Tal, das Wetter sei sehr schlecht. Dies gelang schließlich mit Hilfe der eingesetzten Hubschrauber.

Was war passiert? Eine 5köpfige Gruppe eines Ausbildungskurses der Bergrettung war beim gängigen Übungshang am Großen Burgstall in eine Lawine geraten. Alle fünf wurden zur Gänze verschüttet, eine Person konnte sich nach ca 1 Stunde selbst ausgraben und Alarm schlagen. Die Kameraden des Kurses eilten zur Lawine und konnten nur mit Hilfe von auf der Hütte gelagerten Sonden die restlichen Personen binnen Minuten orten und aus ca 1 m Tiefe ausgraben. Zum Glück lagen sie unmittelbar nebeneinander, zwei sogar übereinander, sonst wäre das wohl nicht so schnell gelungen. Dennoch kam für zwei der Kameraden jede Hilfe zu spät, sie hatten keine Atemhöhle. Die anderen beiden verdanken ihr Leben wohl der beherzten Selbstrettung jenes Bergretters, der die Alarmierung vornahm. Ohne diese Alarmierung wäre der tragische Vorfall möglicherweise noch viel schlimmer ausgegangen.

Ein Lawinenunfall bei der Ausbildung – wie kann das passieren?

Die Erhebungen an der Unfallstelle ergaben, dass die Gruppe vor ihren Übungen die Gefahr erkannt und angesprochen hat. Deshalb suchten sie einen Bereich in diesem Hang, der ihnen als sicher vorkam. Dort rutschte jeder fünf bis sechs Mal auf harter Unterlage mit ca 10 cm Neuschnee den Hang hinunter, bremste seine Rutschfahrt mit dem Pickel und stieg wieder auf. Nichts passierte.

Bereits am Vormittag war eine andere Gruppe in der Nähe unterwegs, auch das gab eine trügerische Sicherheit. Zum Schluss wollten sie noch eine Verankerung im Schnee graben, um danach zur Hütte zurück zu kehren. Einer holte das Seil und eine Schaufel, kehrte zur Gruppe zurück. Kaum angekommen, plötzlich ein Riss in der Schneedecke unter ihren Füßen und die Lawine ging ab.

Der Riss bewirkte, dass auch jener Bereich, 60 Meter ober ihnen, der für die Rutschversuche als sicher eingestuft wurde, abging und alle verschüttete.

Welches Risiko gehen wir bei unserer Tätigkeit also ein?

Als Bergführer ist man gezwungen, ständig die Gefährdung seiner Gäste zu beurteilen, danach zu handeln. Wenn nichts passiert, hat man wohl richtig entschieden. Eine ähnliche Situation wird also eine ähnliche Entscheidung hervorrufen, das letzte Mal ist es ja gut gegangen. Gerade bei der Einschätzung der Schneesituation kann aber tatsächlich niemand sagen, ob man richtig geschätzt hat, nur weil keine Lawine abgegangen ist. Wer weiß, vielleicht war man ja ganz knapp dran. Trotzdem würde man diese Einschätzung als positiv und richtig abspeichern.

Dieser Vorfall macht uns wieder einmal bewusst, wie gefährlich der Aufenthalt im Gebirge eigentlich ist, niemand ist absolut sicher, auch wenn er noch so ein Profi ist.

Auch bei Kursen der Alpinpolizei sind schon Leute verunglückt, der tödliche Absturz von Norbert FELDER am Koschutnikturm ist gerade 15 Jahre her. Wir müssen uns bewusst sein, dass es auch mal schief gehen kann. Niemand will das und alle bemühen sich, Bergführer und Teilnehmer, keine Fehler zu machen.

Der größte Teil unserer Einsätze läuft mit demselben Risiko ab, das wir auch in der Ausbildung und bei unseren privaten und dienstlichen Touren eingehen. Nur in ganz seltenen Ausnahmefällen wird das Risiko zu groß und wir lehnen einen Einsatz ab oder müssen umdrehen. Die meisten Unfälle passieren unter ganz gewöhnlichen Verhältnissen und bei schönem Wetter, wir müssen aber  auch mal bei schlechterem Wetter hinaus, und haben dadurch ein höheres Gefährdungspotenzial.

Leider treffen Menschen manchmal eine falsche Entscheidung, manchmal führt sie in die Katastrophe. Wir sollten den Fehlern anderer demütig und mit Respekt gegenüberstehen und mehr denn je aufmerksam auf die Sicherheit achten. Auf dass wir alle gesund nach Hause kommen.

 

Sepp Bierbaumer (Polizei - Bergführer)

Landesausbildungsleiter im Bundesland Kärnten

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