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Österreichische Ama Dablam Expedition Herbst 2014 – Kommerzberg in Nepal – falscher Platz für Bergsteiger

ÖBPV | Niederösterreich | 18.01.2015 um 12:13 Uhr

Unser Team am Berg: Alois, Haidan, Markus, Leander, Mitru, Matthias und Biru

Da von ursprünglich 8 Interessenten keiner mehr übrig bleibt droht das ganze Vorhaben zu scheitern. Nach einem Rundruf im alpinen Dschungelfunk bildet sich zum Schluss doch noch eine Mannschaft. Mit 3 Bergführern, einem Notarzt und einer weiteren Person scheint die Zusammensetzung unseres 5-Mann-Teams optimal zu sein.

Am 14.10.2014 ist es soweit. Die Nepal erfahrenen Montafoner Leander BITSCHNAU - Tschagguns (Bergführer und Bergretter) und Dr. Alois TSCHOFEN - Bartholomäberg (Notarzt, Flugrettungsarzt und Bergretter), Nepalneuling Robert VONACH - Wolfurt (PI Egg), Nepalneuling Mathias AUSSERDORFER - Lienz (PI Matrei - Bergführer, Flight-Operator und Bergretter) und ich stehen in Zürich vor der Gepäcksabgabe. Via Istanbul mit Türkish Airlines geht es ab nach Nepal. Mit Verspätung kommen wir am nächsten Tag in Kathmandu an. Min Dhan Rai, Mitru Rai (Sirdar) und Biru Rai (Küchenchef) und Haidan Kulung nehmen uns in Empfang und noch vor dem Hotelbezug fahren wir ins Depot der Agentur.

Auf Grund einer Neuregelung beim Inlandsflug nach Lukla dürfen wir nur noch 15 kg Gepäck pro Person dabei haben. Somit wird alles, was für das Trekking benötigt wird auf das Gepäckslimit hin getrimmt, die gesamte restliche Ausrüstung für die Expedition für den Transport auf dem Landweg vorbereitet. Die wahrscheinlich bitterste Begleiterscheinung dieser Tatsache ist, dass wir während des 8tägigen Trekkings auf unsere Expeditionsküche und unsere Zelte verzichten müssen und uns auf ein sogenanntes Lodge-Trekking einstellen.

Schon am nächsten Tag finden wir uns im Ministerium für Tourismus ein. Beim unumgänglichen Briefing sind noch weitere Expeditionsleiter anwesend. Die Kosten für das benötigte Permit und den meist überflüssigen Begleitoffizier sind beträchtlich. Fraglich bleibt nur die Sinnhaftigkeit der ganzen Aktion – zumal von offizieller Seite eine Power-Point-Präsentation mit ca. 30 Folien in englischer Sprache in weniger als zwei Minuten auf einem großen Bildschirm gezeigt werden – Hauptsache am Schluss auf fünf verschiedenen Dokumenten eine Unterschrift und jede Menge Dollars auf den Tisch geblättert.

Am Tag darauf fliegen wir sehr früh am Morgen mit dem ersten Flug nach Lukla. Die Wolkendecke durchstochen geht es bei Sonnenschein in Richtung Solo Khumbu. Erste große Hürde geschafft - nach der Landung auf der gefährlichsten Landebahn der Welt gibt es zunächst ein Frühstück in der Lodge von Dawa SHERPA, bevor wir mit unserer Akklimatisierung starten. In den nächsten 8 Tagen lautet das Motto „chronische Unterforderung“, um gesund und leistungsbereit ins Basislager zu gelangen.

Die Tour führt uns dreimal auf 5.400 m. Über zwei Pässe und einem Ausflug auf den Gokyo-Ri, von dem aus wir eine sensationelle Aussicht auf Everest, Lhotse, Pumori, Cho Oyu, Makalu, Cholatse und weitere formschöne Berge haben, erreichen wir termingerecht und top fit Ming-Bo – das Basislager der Ama Dablam auf 4.600 m. Recht erstaunt nehmen wir die Situation im Basislager war, denn mit 150 Zelten im Basislager sind wir offensichtlich nicht allein am Berg.

Am 26.10.2014 beginnen wir unsere Expedition formell mit der „Puja“. Noch bevor ein eigens dazu ins Basislager gekommener Mönch uns und unsere Ausrüstung segnet wird es laut im Basislager - Hubschrauber. Vom Lager 2 in 5.900 m wird der Leichnam einer Person am Tau ins Basislager geflogen. In dem Moment fällt mir ein Bericht von „berg und steigen“ ein. In der Ausgabe 2/14 wird die Mortalität am Berg durchleuchtet. Da dies schon der zweite Tote am Berg innerhalb 14 Tagen ist (Absturz beim Abseilen – Seilriss eines Industrieseiles) würde ich den Bericht gerne noch mal nachlesen – geht leider nicht – bin ja vor Ort, und die Zeitschrift weit weg. Von den Flughelfern erfrage ich den Namen des Einsatzpiloten – Siddhartha GURUNG. Ich bin bereits 2012 mit Siddhartha von Mustang nach Kathmandu geflogen. Dabei konnte ich Parallelen und Unterschiede der Flugrettung bei uns und in Nepal in Erfahrung bringen. Über Siddhartha und die von der Air Zermatt durchgeführte Ausbildung in Sachen Luftrettung in Nepal gab es bei uns auf SRF bzw Servus TV eine Doku – „Die Bergretter im Himalaya“. Während ich mich mit Siddhartha unterhalte, stehen wir neben dem laufenden Hubschrauber.   

Gleich nach dem Wiedersehen mit Siddhartha und der „Puja“ packen wir, während Teilnehmer einer anderen Expedition am Übungsfelsen den Umgang mit dem Jümar üben, zum ersten Mal unsere Rucksäcke, die wir prall gefüllt mit Equipment am nächsten Tag in Richtung Lager 1 bringen. Matthias und ich sind auf 5.600 m und sehen im Lager 1 auf 5.700 m viele Zelte, können jedoch keinen freien Zeltplatz erkennen. Wir finden eine Nische, in der wir unsere Ausrüstung deponieren, kochen uns noch etwas zu essen und steigen dann wieder Richtung Basislager ab. Alois und Leander ergattern im vorgeschobenen Lager auf 5.400 m einen Zeltplatz und nächtigen dort.

Am folgenden Ruhetag begeben wir uns auf Wanderschaft. Matthias und ich ziehen wie Bettler von Zelt zu Zelt, um von den vielen anwesenden Agenturen eine seriöse Auskunft über noch freie Zeltplätze in Lager 1 und 2  in Erfahrung zu bringen. Schwierig. Irgendwann sehen wir uns mit 10 verschiedenen Auskünften konfrontiert. Dies führt uns dazu, am nächsten Tag mit einer neuerlichen Ladung Equipment ins Lager 1 aufzusteigen um dort einfach unser Glück zu versuchen.

Matthias´s Timing ist perfekt. Er kann genau dort, wo ein Schweizer Paar sein Zelt abbaut, den Platz übernehmen und unser Zelt aufbauen. Somit haben wir schon mal ein Zelt im Lager 1 auf 5.700 m. Ein Stück weiter oben finden wir noch einen zweiten leeren Platz für das Zelt von Alois und Leander. Glück gehabt.

Matthias, Leander und Alois verbringen ihre erste Nacht im Lager 1, während ich mich entscheide die Nacht im vorgeschobenen Lager zu verbringen, da ich dort noch einiges an Material deponiert habe. Nach einer ungemütlichen Nacht ohne Iso-Matte mache ich mich gleich am Morgen auf den Weg ins Lager 1. Im Lager werden die Zeltplätze noch verbessert und Frühstück gekocht. Zur Mittagszeit entscheiden Matthias, Alois und Leander ins Basislager abzusteigen. Ich habe meine erste Nacht im Lager 1 noch ausständig und werde diese nachholen. Über dem Wolkenmeer erlebe ich einen tollen Sonnenuntergang, bevor ich in den Schlafsack krieche und am nächsten Morgen auch ins Basislager absteige.

Wir entscheiden uns für zwei Ruhetage im BC, um dann den ersten Gipfelversuch zu starten. Wir sind zwar noch sehr früh dran, aber alle sind top fit und wollen endlich loslegen. An diesen zwei Ruhetagen beobachten wir die Dablam (Hängegletscher oberhalb von Lager 3) sehr genau. Die Geräusche der Nacht mit den sichtbaren Folgen am nächsten Morgen deuten darauf hin, dass die Dablam aktiver ist, als uns lieb ist. Aufmerksam verfolgen wir die äußeren Umstände.

Am 02.11.2014 ist es soweit. Erholt und gut gestärkt starten wir unsere erste Bergfahrt. Geplant ist die Nächtigung im Lager 1, 01.00 Uhr Frühstück, Start um 02.00 Uhr am Morgen des 03.11.2014. Nach einer kurzen Nacht sind Matthias und Leander startklar, Alois und ich fühlen uns nicht so gut und bleiben liegen. Wir werden am Morgen Richtung Lager 2 und 3 aufsteigen, unseren Gipfelversuch zwei Tage später in Angriff nehmen. Als wir am Morgen aus dem Zelt kommen und unsere Blicke zum Gipfel richten, können wir Leander und Matthias nicht sehen. Eigentlich sollten diese schon in der Gipfelflanke sein. Mit dem Teleobjektiv erkennt Alois drei Personen oberhalb von Lager 3  noch unterhalb der Dablam. Diese bewegen sich aber die längste Zeit nicht weiter Richtung Gipfel. Kurz nach dem wir gestartet sind treffen wir auf Lakpa SHERPA. Er teilt uns mit, dass oberhalb von Lager 3 einer seiner Sherpas von Eismassen erschlagen worden und einer seiner Teilnehmer schwer verletzt sei. Jetzt ist uns klar, warum noch keiner in der Gipfelflanke ist, und die drei Personen noch immer an derselben Stelle stehen. Alois und ich steigen der Unfallstelle auf 6.400 m entgegen – wir wollen die Sicherheit haben, dass Leander und Matthias in Ordnung sind. Wenig später wird es schon wieder laut – Hubschrauber. Wir sind nur noch wenige Minuten unterhalb von Lager 2, als sich die unangenehme Spannung schlagartig auflöst. Matthias und Leander kommen uns entgegen – Gott sei Dank wurde die Bergfahrt nicht zur Himmelfahrt.

Nach der Schilderung des Herganges, den vorhandenen äußeren Umständen und deren weiteren Entwicklung fällt die einstimmige Entscheidung, unser Vorhaben – die Besteigung der Ama Dablam – abzubrechen. Zurück im Lager 1 beginnen wir nach einer ausgiebigen Pause die Zelte abzubrechen und alles aufzuladen. Schwer bepackt steigen wir noch am selben Tag ab und sind froh, dass Mitru und Haidan uns auf halbem Weg entgegen kommen. Wir teilen das Gepäck auf und steigen ins Basislager ab. Schade, aber lieber einmal umgekehrt als nicht mehr zurückgekehrt.

Nach der Organisation des Rücktransportes verlassen wir, wie die meisten anderen Expeditionen auch, das Basislager in Richtung Lukla. Wir sind uns einig, die nun gewonnene Woche nicht in Kathmandu zu verbringen und sind froh, dass wir unseren Heimflug sieben Tage vorverlegen können.

Unsere Expedition sollte nicht mit dem Gipfel belohnt werden, aber fasziniert vom Land und der Herzlichkeit der Leute kann ich für mich nur sagen: Ich komme wieder. 

Interessante Details am Rande:

Im Lager 1 habe ich Zeit, mich mit anderen Teilnehmern zu unterhalten. Ich staune sehr über die Vorgangsweise einer der größten Agenturen am Berg. Scheinbar werden hier einige wichtige höhentaktische Erkenntnisse bewusst oder aus Unwissenheit nicht beachtet bzw. befolgt. Einige Erkenntnisse aus einem Buch von HOCHHOLZER und BURTSCHER: besser aktiv und Bewegung, als nur im Lager herumsitzen; maximale Höhe steigern, möglichst tief schlafen; keine Regeneration über 5.400 m; vertretbare Verlegung der Schlafhöhe; Lake-Louis-Score zur Früherkennung von Höhensymptomen. So bekommt jeder Teilnehmer dieser Agentur zwar seinen eigenen Träger und in späterer Folge seinen „Climbing-Sherpa“ jedoch sind auf Grund der Höhentaktik am Ende nicht mehr viele Teilnehmer übrig, die einem Gipfelanstieg überhaupt noch gewachsen sind. Dazu kommt noch, dass Eigenkönnen und Eigenverantwortung vieler Teilnehmer nicht in dem Ausmaß vorhanden sind, wie es die Schwierigkeit des Berges erfordert. Kombiniert mit dem Umstand, dass die „Guides“ keine „Deadline“ setzen,  sind viele Teilnehmer – da viel zu langsam – viel zu lange in der Spur und kommen völlig über ihre Limits hinaus. Bei einem Großteil der Teilnehmer wäre es schlicht falsch, von Bergsteigern zu reden. Dies spiegelt sich auch im Verhalten am Berg wieder (Lager 2 – hier wird die große Notdurft einfach direkt vor dem Zelt verrichtet). Ein weiterer negativer Umstand dieses „Kommerz-Berges“ ist die Tatsache, dass die Agenturen in den Lagern ihre Zelte aufstellen und diese einfach stehen lassen – auch wenn zwei Wochen lang niemand die Zelte benützt. Wie sollen da andere Bergsteiger einen Platz für ihre Zelte finden. Noch ein Aspekt sind die Fix-Seile. Alte Seile werden nicht herausgeschnitten und entsorgt und oft werden an den entscheidenden Stellen nicht die richtigen Seile verwendet. So kam es auch zum Absturz eines russischen Alpinisten, dem beim Abseilen ein Industrieseil auf Grund von Durchscheuerung gerissen ist. Hier sollte ähnlich der „Khumbu Ice-Fall-Doctors“ am Everest vorgegangen werden. Kommerzialisierte Berge in Nepal – in Zukunft ohne mich (es gibt ja noch genug andere...)

Namaste,

Markus Greußing, Bergführer

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