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Skitourenreise Georgien 2020

Thomas Färbinger | 19.07.2020 um 09:55 Uhr

Die Reise begann am Abend des 09.03.2020 mit einem vierstündigen Flug von Memmingen nach Kutaissi. Nach einer kurzen Nacht in der drittgrößten Stadt Georgiens brachte uns der Georgier Irakli in sieben Stunden Fahrzeit zu unserer Unterkunft in Mestia, der Hauptstadt Svanetiens. Von dort aus unternahmen wir in den kommenden Tagen die ersten Skitouren.

 

Tetnuldi Ski Ressort

Am 11.03.2020 brachen wir zu unserer ersten Skitour auf. Diese begann am Ende des Ski Ressort Tetnuldi und diente nehmen dem Eingehen auch dem Erkunden der dortigen Schnee- und Lawinenlage.

Wie wir bald feststellen durften, gehen die Uhren in Georgien langsamer. Die Sessellifte in dem kleinen Skigebiet waren zwar neuester französischer Bauart, fuhren jedoch nicht vor 10:30 Uhr. Die weiter oben gelegenen Lifte gingen auch erst nach und nach in Betrieb.

Die letzten Wochen hatte es in Georgien kaum geschneit und die Schneedecke war aufgrund der regelmäßig hohen Temperaturen durchgehend durchfeuchtet. Diese Bedingungen begleiteten uns während des gesamten Aufenthalts.

Für unsere ersten Abfahrten wählten wir flache Hänge und lawinensichere Rücken auf den Südhängen des Tetnuldi Ski Ressorts. Nachdem nach 700 hm der Schnee immer weniger wurde, entschlossen wir uns wieder zum Aufstieg. Begleitet von Setzungsgeräuschen und Rissen in der Schneedecke suchten wir uns den Weg zu unserem Ausgangspunkt.

 

Simzagari 3311 m

Für den 12.03.2020 war eine Skitour auf den 2564 m hohen Detsilli westlich von Mestia geplant. Schon bei der Anfahrt mussten wir aber feststellen, dass der Schnee nicht bis zum geplanten Ausgangspunkt hinunter reichte. Unser ortskundiger Fahrer riet uns noch eine halbe Stunde weiter zu fahren und den Berg von Westen über den Nordrücken zu besteigen, da dort die Verhältnisse für gewöhnlich besser wären.

Wir folgten seinem Rat und ließen uns nach Etseri fahren. Dort angekommen folgten wir einem langen Bachlauf in nordöstlicher Richtung und konnten in der Entfernung die Südhänge des 3311 m hohen Simzagari entdecken. Kurzerhand änderten wir unser Tourenziel und gingen über die gleichmäßig steilen 1450 Höhenmeter weiter in Richtung Simzagari Gipfel. Dabei wurden wir fast den ganzen Tag mit Sonnenschein belohnt.

 

Skitourenrunde über die Koruldi Seen und den Chalaadi Gletscher

Am Freitag den 13.03.2020 brachen wir zu unserer schönsten und längsten Tour auf. Neben der Tour selbst wurden wir mit bestem Wetter und einer top Fernsicht belohnt.

Mit den Skiern am Rucksack brachen wir vom Flughafen in Mestia auf. Die ersten 400 hm Richtung Tskhakzasari mussten wir zu Fuß zurücklegen, bis wir dann mit den Skiern weiter auf eine 2386 m hoch gelegene Ebene gingen. Nach einer kurzen Pause ging es unter starker Sonneneinstrahlung weiter über die Koruldi Seen hinauf zum 3328 m hohen Gipfel. Nach den 12 km und knapp 2000 hm im Aufstieg, folgte die Abfahrt über den Chalaadi Gletscher. Dort fanden wir auf der 1800 hm langen Abfahrt alle erdenklichen Schneeverhältnisse vor. Von Pulverschnee ganz oben, über windverpressten Schnee und Bruchharsch im mittleren Teil, und Firn und durchfeuchtetem Schnee im Bachauslauf am Ende Tour war alles dabei.

Die körperliche Anstrengung war an diesem Tag aber noch unser kleinstes Problem. Unser Fahrer Irakli bestand darauf, den von ihm mitgebrachten Tschacha (60 % georgischer Schnaps) mit uns zu trinken. Die sieben Stamperl die jeder von uns trinken „durfte“, gaben uns schließlich den Rest.

 

Fahrt nach Ushguli

Mit der Fahrt nach Ushguli begann der abenteuerliche Teil unserer diesjährigen Georgienreise. Als wir am 14.03.2020 Richtung Ushguli aufbrachen, konnten wir noch nicht erahnen, was alles auf uns zukommen würde. Die einzige Straße in das kleine Dorf mit nur 200 Einwohnern wurde mit jedem Kilometer schlechter. Für die insgesamt 45 Kilometer brauchten wir zweieinhalb Stunden; allein für die letzten 15 Kilometer benötigten wir über eine Stunde Fahrzeit. Es galt auf der unbefestigten, regelmäßig von Lawinen- und Murenabgängen gezeichneten Straße sich den Weg an den größeren herumliegenden Steinen vorbei zu bahnen. Zudem hatte es den ganzen Tag geregnet, was dem „Fahrbahnbelag“ weiter deutlich zugesetzt hatte.

In Usghuli angekommen, mussten wir feststellen, dass auch dort nur wenig Schnee vorhanden war. Die Straßen zu unserer Unterkunft waren - anstatt mit Schnee – mit Eis und Mist bedeckt, denn fast alle Tiere aus Ushguli (Rinder, Schweine, Hunde und Pferde) leben gemeinsam auf den Straßen. Ausgemistet wurde anscheinend länger nicht.

Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit und dem anhaltenden Regen stand an unserem Anreisetag nur noch die Besichtigung des Dorfes mit Kirche und „Supermarkt“ auf dem Tagesplan. Danach wärmten wir uns am kleinen Eisenofen im Gemeinschaftsraum unseres Gasthauses „Lilleo“.

 

Karetta Joch“

Am nächsten Tag ging es nach dem Frühstück es erst einmal ein 4 km langes Tal flach grob in Richtung Hauptkamm des Kauskasuses. Dann folgten 1200 hm Richtung Karetta Joch. Dabei war es gerade am Morgen bis zur Mittagszeit sehr warm und sonnig.

Da das Wetter die letzten Wochen dort auch verhältnismäßig warm war, konnten wir gerade südseitig sehr viele alte Gleitschneelawinen sehen. Die Schneedecke war wieder, gerade in den südlichen Expositionen, bis zum Boden hin stark durchfeuchtet.

Vorwiegend über Rücken gingen wir südseitig zum Kessel unterhalb des Karetta Jochs. Dort stellte sich dann zunehmend immer schlechteres Wetter ein. Die Wolken zogen herein, sodass ab 14:00 Uhr keine Sicht nach oben mehr möglich war. Da wir auch noch das flache Tal wieder auswärts mit Fellen zurücklegen mussten, entschieden wir uns nach einer kurzen Rast für die Abfahrt. Diese führte uns durch den Kessel vorbei an den nordseitigen Hängen über den Pakvlashi Bach ins Tal. Von dort ging es dann mit den Fellen an den Skiern zurück zur Unterkunft. Während der gesamten Tour wurden wir von drei Hunden aus dem Dorf begleitet, welche anscheinend sehr froh über diesen Ausflug waren.

 

Flug durch WizzAir abgesagt

Als wir den Abend gemeinsam am Eisenofen der Unterkunft verbrachten, erreichte uns völlig unterwartet eine E-Mail unserer Fluggesellschaft. Der Flug für unsere Heimreise wurde storniert, die Kosten würden zurückerstattet. Die Corona-Pandemie warf ihre Schatten voraus.

Da sich schon abzeichnete, dass einige Flüge in der kommenden Zeit ausfallen würden, haben wir uns Gedanken zur Heimreise gemacht. Wir haben uns auf Anraten der deutschen Botschaft in Tiflis in der Krisenvorsorgeliste eingetragen und überlegten, wie wir wieder heimkämen.

 

Namenloser 3014m

Über Nacht gab es zum ersten Mal 20 cm Neuschnee. Zwar stellte der Neuschnee unsere Abreise aus Ushguli erst einmal in Frage, dafür konnten wir unsere letzte Skitour bei guten Schneebedingungen unternehmen.

Diesmal führte uns unser Weg auf einen namenlosen 3014 m Hohen Gipfel südlich von Ushguli. Nachdem der morgendliche Schneefall gegen 10:30 Uhr nachließ, starteten wir, wie in Georgien üblich, etwas später in den Tag. Bis auf 2400 m hatten wir durchgehend gute Sichtverhältnisse. Dann wurde die Sicht wieder zunehmend schlechter und wir brachen unseren Aufstieg auf ca. 2850 m Höhe ab.

Nachdem wir aus der festhängenden Wolkendecke bei der Abfahrt wieder hauskamen, wurden wir mit einer ca. 1000 hm langen Pulverschneeabfahrt mit direkter Sicht auf Ushguli belohnt. Unten angekommen, mussten wir noch einmal ein paar Höhenmeter zu unserer Unterkunft aufsteigen. Durch das Dorf, vorbei an Schweinen, Rindern und Pferden suchten wir uns den Weg zu unserem Gästehaus. Dort angekommen stellten wir fest, dass die Stromversorgung nicht mehr zuverlässig funktionierte. Dank unserer georgischen Mobilfunkkarte konnten wir dennoch den Kontakt zur „Außenwelt“ halten.

 

Beginn der Heimreise

Noch am selben Tag, es war schon 14.00 Uhr, rief uns Irakli an und teilte uns mit, dass wir aufgrund der Wetterprognosen und den damit verbundenen Unwägbarkeiten der Zufahrtsstraße noch heute Abreisen müssten.

Er schickte uns ein Fahrzeug aus Mestia, welches zwei Stunden später eintraf. In Rekordzeit wurden wir von unserem Fahrer über die schlechte Straße nach Mestia gefahren. Auf der Fahrt erkannten wir auf vielen Teilen der Straße noch Raupenspuren. Durch diese wurden die Muren- und Lawinenabgänge an den Straßenrand geschoben. Ohne diese Vorarbeit wäre wohl kein Fahrzeug durchgekommen.

Alle unsere Fahrer hatten vor allem in dem Abschnitt mit den Muren- und Lawinenabgängen höchsten Respekt. Nach einem kurzen Blick nach oben – ob der Hang auch wirklich hält – fuhren sie ohne weiteres zögern durch. Dabei nahmen sie auch schwierige Fahrmanöver in Kauf. Große Steine wurden zügig umfahren, weggeräumt wurde aus Sicherheitsgründen nichts.

Nachdem wir die asphaltierte Straße wieder erreichten, war unserem Fahrer die abfallende Anspannung deutlich anzusehen. Zu diesem Zeitpunkt sackte er zum ersten Mal nach einer Stunde Fahrzeit in seinen Sitz und schnaufte entspannt durch. Anscheinend war ihm nicht ganz wohl bei der Rückholaktion.

Als wir in unserer ersten Unterkunft angekommen waren, haben wir wieder unsere Zimmer bekommen, was aufgrund der Lageentwicklung im ganzen Land nicht mehr selbstverständlich war. In Tiflis hatten alle Hotels und Unterkünfte wegen der Corona-Pandemie bereits geschlossen.

 

Tag der Abreise

Unsere Herbergswirtin Manana bat uns am nächsten Tag erst gegen 09:00 Uhr zum Frühstück zu kommen. Wegen einer Familienfeier am Vortag wollte die ganze „Villa Mestia“ nicht so zeitig aufstehen.

Also frühstückten wir erst recht spät und versuchten die Botschaft in Tiflis zu erreichen. Der Informationsfluss bezüglich unserer Ausreisemöglichkeiten war sehr schlecht. Zu diesem Zeitpunkt wusste niemand, nicht einmal die deutsche Botschaft in Tiflis, wie wir wieder nach Hause kommen würden. Die Flüge von Kutaissi nach Deutschland waren schon alle storniert.

Während jetzt auch hier immer wieder der Strom und das Internet ausfielen, begannen wir unsere Dienststellen über unserer Situation zu informieren. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir noch keine Idee, wann und wie wir wieder heimkommen würden.

Um 10:30 Uhr konnten wir die deutsche Botschaft in Tiflis erreichen. Die Mitarbeiter der Botschafter sorgten für Klarheit bei der Heimreiseplanung.

„Hilfe von der Botschaft ist nicht zu erwarten, Rückholflieger aus Deutschland werden die nächste Zeit nicht nach Georgien entsendet“, war die Kernaussage. Sie rieten uns aufgrund der immer unübersichtlichen Lage das Land sofort zu verlassen. In Georgien starteten immer weniger Flieger Richtung Deutschland.

Das Auswärtige Amt informierte zeitgleich auf ihrer Internetseite, dass am kommenden Tag die letzten halbregulären Flüge von Georgien aus Richtung Deutschland starten würden. Wir recherchierten sofort im Internet und fanden noch einen Flug mit Türkisch Airlines, allerdings von Tiflis aus.

Die Lage spitze sich langsam zu.

Nachdem Irakli zusicherte, dass wir morgen rechtzeitig in Tiflis sein würden, buchten wir kurzentschlossen – zwei Tage vor unserer eigentlichen Abreise – unseren Rückflug.

Nur zwei Stunden später, gegen 16:00 Uhr begann unsere 30 stündige Heimreise.

 

Abfahrt in Mestia

Nach dem wir unseren Mitsubishi Delica bepackt hatten, ging es los. Aber nach nur 30 Minuten blieben wir auf der einzigen Straße von Mestia Richtung Kutaissi und Tiflis stehen. Irakli hat einen Freund gebeten, der ebenfalls auf dem Weg nach Tiflis war, unser Gepäck zu transportieren. Wir waren insgesamt zu schwer und unser Fahrzeug überladen. Wir konnten nicht schnell genug fahren, da der Mitsubishi die ganze Zeit schaukelte.

Was wir völlig unterschätzten, war die Reisezeit. Tiflis lag nur 480 Straßenkilometer von Mestia entfernt. Für diese Fahrt benötigten wir inklusive Pausen 12 Stunden. Allein für die ersten 120 km von Mestia, raus aus den Bergen, vergingen bereits vier Stunden. Kurz nach Mittagnacht kamen wir auf dem Pass zwischen Kutaissi und Tilflis dann auch noch in ein Schneetreiben. Glücklicherweise war unser Fahrzeug den Verhältnissen gewachsen, denn Schneepflüge bzw. geräumte Straßen haben wir während unseres gesamten Aufenthalts nie gesehen.

Gegen 03:00 Uhr in der Nacht kamen wir schließlich in Tiflis an. Dort holten wir irgendwo in einem Hinterhof, hinter Betonzäunen, unser Reisegepäck wieder ab. Just in Time kamen wir am Flughafen an und checkten für unseren Rückflug ein.

Wir flogen über Istanbul und mussten noch vier Stunden im Transitbereich ausharren, bis es weiter nach München ging. Dann holten wir noch unsere Autos am Flughafen Memmingen ab und schon waren wir 30 Stunden später zuhause angekommen.

 

Fazit:

Auch wenn dieser Skitourenausflug eher eine Abenteuereise wurde – weniger Höhen- dafür mehr Reisemeter – lernten wir wieder viel über Land und Leute kennen. Neben dem hervorragenden und viel zu reichlich angebotenen Essen waren alle ständig bemüht, uns bei den Fahrten und später bei der Heimreise zu unterstützen. Die für uns ungewohnte Herangehens- und Lebensweise der Georgier verlangte einiges an Vertrauen von unserer Seite. So sei z. B. an die Fahrt nach Ushguli und zurück, sowie den Transport von unserem Gepäck durch einen völlig Unbekannten in einen Hinterhof von Tiflis erwähnt. Lässt man sich auf diese Gegebenheiten ein, so hat man die Möglichkeiten einen spannenden und landschaftlich schönen Urlaub unter interessanten Leuten zu verbringen.

Georgien ist jederzeit eine Reise wert. Kulturell wie landschaftlich kann ein Ausflug dorthin jedem nur empfohlen werden.

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